Sonntag, 27. Januar 2008

FILM: KEIN LAND FÜR ALTE MÄNNER

Die Sonne brennt. Die Waffe ist geladen. Der Schritt gleichmäßig. Die Augen gerade aus. Der Scheitel sitzt perfekt. So geht der Killer Chigurh (oscar-verdächtig: Javier Bardem) durchs Land: Zielstrebig, erbarmungslos, unaufhaltbar. Eigentlich geht er nur seiner Arbeit nach, nur dass diese Arbeit das Ableben von Menschen mit sich bringt, vielen Menschen sogar. Der Begriff „eiskalter Killer“ wird durch Chigurh neu definiert, eigentlich fehlen ihm nur noch zwei Hörner und ein Pferdefuss, denn wo er einmal auftaucht, bricht die Hölle los.

Auftritt Sheriff Bell (Tommy Lee Jones), der Gesetzeshüter, der alles ein Spur ruhiger angehen lässt: Er lässt sich gerne Zeit, beim Zeitung lesen, beim Frühstück, beim Reden und bei der Verbrecherjagd. Er ist müde geworden, der Sprössling aus drei Generationen von Sheriffs steht kurz vor der Pensionierung und kann es schon in den Knochen spüren. Er ist kein Colt für alle Fälle mehr und er weiß es.

Llewelyn Moss (Josh Brolin) ist da anders: Er ist jung und betrachtet die Dinge gerne von etwas weiter her, beispielsweise wenn er auf die Jagd geht und sich dem Wild anpirschen muss. Mit Stetson und Levi’s geht er durch das karge Ödland des mittleren Westens wie der Marlborough Mann es einst auch tat. Nur dass die Zigarettenmarionette nie auf das blutgetränkte Schlachtfeld von Drogenkurieren stößt und als Finderlohn 2 Millionen Dollar einheimst.



Und schon sind die drei Hauptdarsteller miteinander verbunden: Moss hat das Geld, Chigurh soll es für seine Auftraggeber zurückholen und Bell will den Fall aufklären. Ein Katz und Maus Spiel durch Amerikas karge Wüstenlandschaft beginnt. Es geht um eine Menge Geld, schallgedämpfte Schrotflinten, pressluftgetriebene Bolzenschußgeräte, versteckte Peilsender, Blutspuren im Sand, schwimmende Kampfhunde und Gedärme an der Wand – kurzum, es geht um Leben und Tod.

Mit NO COUNTRY FOR OLD MEN melden sich die Coen-Brüder zurück, Hollywoods enfants terribles des skurrilen Films. Der Film hat alles, was ein echter „Coen“ braucht: Die Locations, den unverwechselbaren Look, die verschrobenen Charaktere (allen voran Chigurh; Oscar für die beste Perrücke garantiert!), die chirurgische Monotonie der Ereignisse und eine abgefahrene Story. Aber gerade die nicht allzu lineare Geschichte und die streckenweise langatmigen Szenen, lassen den Film von Zeit zu Zeit träge erscheinen. Einzelne Szenen sind, wie immer, hervorragend umgesetzt, spannend im Erzählfluß und von der Bildgewalt. Doch dann wird plötzlich die Handbremse gezogen, es werden Szenen „reingeschoben“ die dem Film mehr durch ihre Abstinenz als Präsenz dienlich wären. Die offizielle Filmlänge beträgt ca. 122min, die gefühlte Lange ist mindestens ein halbes Mal länger.




NO COUNTRY FOR OLD MEN ist nur schwer einem Genre zuzuteilen. Es ist teils Drama, teils Thriller, dann wiederum Charakterstudie und klassisches Roadmovie. Der Trailer verspricht einen rasanten, mit coolen Sprüchen gespickten Film, ist er aber leider nicht. Was nicht heißen soll, dass der Film etwa schlecht wäre, ganz im Gegenteil. Nur, wo Coen draufsteht, ist auch Coen drin, darüber sollte man sich im Klaren sein bevor man sich ein Kinoticket kauft. Acht Oscar-Nominierungen (darunter für Javier Bardem als bester Nebendarsteller, obwohl seine Rolle eine der drei Hauptrollen ist) sind noch lange kein Garant, dass der Film gut ist, aber dass er eine bestimmte Qualität hat schon. So kann man auch NO COUNTRY FOR OLD MEN beschreiben: Er hat eine bestimmte Qualität. Aber gemessen an anderen Coen-Filmen wie THE BIG LEBOWSKI, FARGO oder THE HUDSUCKER PROXY, fährt dieser Film eher im zweiten Gang des Coen’schen Filmmobils.


Alle Bilder und Trailer aus NO COUNTRY FOR OLD MEN © UPI